Bakterielle Vaginose - DocCheck Flexikon (2024)

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Synonyme: Anaerobiervaginose, Gardnerella-Vaginitis, unspezifische Kolpitis, Aminkolpitis
Englisch: bacterial vaginosis

Inhaltsverzeichnis

  • 1 Definition
  • 2 Epidemiologie
  • 3 Ätiopathogenese
  • 4 Symptomatik
  • 5 Komplikationen
  • 6 Diagnostik
    • 6.1 pH-Messung
    • 6.2 Zytologische Untersuchung
    • 6.3 Mikrobiologische Untersuchung
    • 6.4 Amsel-Kriterien
  • 7 Therapie
  • 8 Literatur

Definition

Als bakterielle Vaginose, kurz BV, früher Aminkolpitis genannt, beschreibt eine atypische Besiedlung der vagin*lflora (Dysbiose) mit Vermehrung anaerober Bakterien bei gleichzeitiger Reduktion der Laktobazillen.

  • ICD-10-Code: N76.0 (akut) und N76.1 (subakut und chronisch)

Epidemiologie

Mit einem Anteil von etwa 5 bis 15% im unselektierten Patientengut ist die bakterielle Vaginose eine der häufigsten vagin*lerkrankungen. Während der Schwangerschaft können 10-20% der Frauen betroffen sein.

Ätiopathogenese

Die vagin*le Normalflora wird v.a. von Döderlein-Stäbchen (Symbionten) dominiert, die für ein saures Milieu (pH < 4,5) sorgen. Auch andere Bakterien kommen physiologischerweise in geringer Zahl vor, z.B. B-Streptokokken, Escherichia coli, Gardnerella vagin*lis, Atopobium vagin*e oder Eubacterium-Spezies.

Bei der bakteriellen Vaginose kommt zu einem Ungleichgewicht von Döderlein-Stäbchen und der übrigen Flora, die dann einen hartnäckigen Biofilm an der vagin*lwand bilden kann. Ein wichtiger Leitkeim ist dabei Gardnerella vagin*lis, ein grampositives, unbewegliches, kurzes Stäbchenbakterium. Durch synergistische Förderung des Stoffwechsels gramnegativer, obligater Anaerobier, kommt es zum pathologischen Fluor vagin*lis.

Die genaue Ursache ist derzeit (2020) unklar. Die Erkrankung wird durch Geschlechtsverkehr begünstigt und von manchen Autoren zur Gruppe der Sexually Transmitted Diseases (STD) gezählt. Auch übertriebene vagin*lhygiene (vagin*ldusche), Antibiotika, Fremdkörper, Schwangerschaft, Geburt und operative Eingriffe (z.B. Episiotomie, Laparotomie) können das Anaerobierwachstum begünstigen. Die Vorstufe der BV ist die vagin*le Dysbiose.

Symptomatik

Häufig bleibt eine bakterielle Vaginose asymptomatisch. Ca. 50% der Patientinnen sind beschwerdefrei. Es kommt jedoch durch die pH-Änderung und die Vermehrung der Anaerobier zu vermehrtem Fluor mit nach Fisch riechendem Amingeruch. Ferner kann ein unangenehmes Nässegefühl entstehen.

Der grau-weißliche, dünnflüssige Fluor und der damit verbundene Geruch stehen in der Regel als einzige Symptome im Vordergrund. Im Gegensatz zu anderen Kolpitiden, klagen die Patientinnen selten über Juckreiz oder Rötungen. Die Leistenlymphknoten sind nur sehr selten geschwollen.

Komplikationen

Die bakterielle Vaginose ist die häufigste Ursache für eine Vaginitis. Von ihr spricht man jedoch erst, wenn die anaeroben Bakterien in sehr hoher Zahl vorliegen.

Frauen mit bakterieller Vaginose haben ein erhöhtes Risiko für den Erwerb einer STD, insbesondere für:

  • HIV (2x)
  • Chlamydien und Gonorrhö (1,5 bis 2x)
  • HSV-2 (2x)
  • Trichom*oniasis (9x)

Des Weiteren sind die mit der BV-assoziierten Bakterien vermutlich an der Ätiopathogenese der Pelvic Inflammatory Disease (PID) beteiligt. Bei Schwangeren scheint die bakterielle Vaginose mit erhöhtem Risiko von Frühgeburten, vorzeitigem Blasensprung, postpartaler Endometritis und Spontanabort einherzugehen.

Diagnostik

Zur Diagnostik einer bakteriellen Vaginose wird vom Gynäkologen eine vagin*le Infektionsdiagnostik durchgeführt. Diese umfasst:

  • pH-Messung
  • zytologische Untersuchung eines Abstrichs (Nativpräparat, Methylenblaufärbung)
  • mikrobiologische Diagnostik

Zur besseren Beurteilung des Geruchs des Fluors kann der Amintest durchgeführt werden. Durch Aufträufeln von 1 bis 2 Tropfen 10%iger Kalilauge intensiviert sich der Fischgeruch des vagin*lsekretes.

pH-Messung

Der pH-Wert kann ganz unkompliziert mithilfe einer Pinzette und einem pH-Indikatorstreifen aus dem mittleren Scheidendrittel bestimmt werden.

Zytologische Untersuchung

Im Phasenkontrastmikroskop lässt sich der zytologische Nachweis führen. Sowohl im Nativpräparat, als auch in der Methylenblaufärbung finden sich vagin*le Epithelzellen, die bei der bakteriellen Vaginose meist mit Bakterien besetzt sind ("Bakterienrasen"). Sie werden Clue Cells genannt. Die Menge der Anaerobier wird beurteilt. Weiterhin wird mikroskopisch nach anderen Keimen wie Trichom*onaden, Candida oder Mykoplasmen gesucht. Häufig liegt eine Mischinfektion vor.

Diagnostisch hilfreich ist die Anwendung der Hay-Ison-Kriterien:

  • Grad 0: keine BV, nur Epithelzellen, keine Laktobazillen, vermutlich kürzlich zurückliegende Antibiotikatherapie
  • Grad 1: Normalbefund, überwiegend Laktobazillen
  • Grad 2: gemischte Flora mit einigen Laktobazillen, aber auch Gardnerella oder Mobiluncus
  • Grad 3: überwiegend Gardnerella und/oder Mobiluncus. Außerdem Clue Cells.
  • Grad 4: keine BV, grampositive Kokken, keine Laktobazillen, spricht für aerobe Vaginitis.

Mikrobiologische Untersuchung

Der kulturelle Nachweis ist in besonderen Fällen mit hartnäckigen Rezidiven indiziert. Gardnerella vagin*lis ist dabei ein möglicher Marker der Erkrankung, der aber nicht zuverlässig ist, da das Bakterium auch in der gesunden Scheide nachgewiesen werden kann.

Amsel-Kriterien

Anhand der Amsel-Kriterien wird ermittelt, ob eine bakterielle Vaginose vorliegt. Diese sind erfüllt, wenn drei der folgenden vier Punkte zutreffen:

  • Fluor vagin*lis
  • pH > 4,5
  • Amingeruch
  • Clue Cells in der mikroskopischen Untersuchung (> 20% aller Epithelzellen)

Therapie

Therapieindikationen einer bakteriellen Vaginose sind:

  • symptomatische Patientinnen
  • positive Zytologie mit/ohne Symptome bei Schwangeren, insbesondere bei vorheriger Frühgeburt oder Abort im zweiten Trimester mit ungeklärter Ursache.
  • BV bei Frauen, die sich einer gynäkologischen Operation oder einer invasiven Diagnostik unterziehen.
  • optional bei positiver Zytologie bei asymptomatischen Patientinnen

Goldstandard der medikamentösen Therapie der bakteriellen Vaginose ist die Gabe des Antibiotiku*ms Metronidazol, da es sehr gut gegen Anaerobier wirkt. Empfohlen wird die zweimal tägliche Gabe von 400 bis 500 mg für 5 bis 7 Tage. Alternativ kann ein Metronidazol-haltiges Gel (0,75%) einmal täglich für 5 Tage intravagin*l appliziert werden. Eine Clindamycin-haltige Creme (2%) kann ebenfalls einmal täglich für 7 Tage angewendet werden. Seltener werden auch Secnidazol und Tinidazol angewendet. Erstmals wurden in der S2k-Leitline von 2023 Antiseptika als Therapiealternative genannt. Als Leitliniengerecht gelten:

  • Dequaliniumchlorid als vagin*ltablette
  • Octenidin als vagin*lspray
  • Povidon-Jod mittels Applikator

Der bakterielle Biofilm kann mit den derzeit empfohlenen Therapien nicht beseitigt werden. Dies erklärt die Heilungsquote von 60 bis 70% nach 3 Monaten und die hohe Rezidivquote. Bei Persistenz oder Rezidiven wird intravagin*les Metronidazol empfohlen. Alternativtherapien sind:

  • Milchsäurepräparate
  • vagin*lzäpfchen mit Lactobazillen oder Vitamin C

In der Schwangerschaft kann trotz theoretischer Bedenken laut der aktuellen Leitlinie und nach Beratung der Patientin Metronidazol systemisch verabreicht werden. Alternativ kommt eine lokale Behandlung mit Metronidazol oder Clindamycin sowie die Gabe von Dequaliniumchlorid in Betracht. Ob eine systemische antibiotische Behandlung in der Schwangerschaft zur Reduzierung der Frühgeburtenrate beiträgt, ist umstritten.

Ob der Sexualpartner ebenfalls behandelt werden sollte, ist aufgrund kontroverser Studienergebnisse noch nicht eindeutig geklärt.


Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

Literatur

Stichworte: Bakterielle Infektion, Fluor vagin*lis, Geschlechtskrankheit, vagin*, vagin*lflora, Vaginose

Fachgebiete: Gynäkologie, Infektiologie

BY-NC-SA

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Bearbeitet von Dr. No am 21.03.2024 Geprüft von DocCheck

Letzter Edit: 21.03.2024, 09:04

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Author: Sen. Emmett Berge

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